Gerhard Kränzle will die Premium-Hosenmarke Hiltl stärker auf Handwerk und innovative Produkte ausrichten
Sulzbach-Rosenberg. Eine Kleinstadt in Bayern, 60 Kilometer östlich von Nürnberg. Im idyllischen Sulzbach-Rosenberg hat die Premium-Hosenmarke Hiltl ihren Sitz: Seit 1955 entstehen hier erstklassige Hosen, die weltweit besonders geschätzt werden. 2020 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Nun stellt Geschäftsführer Gerhard Kränzle die Marke neu auf – und besinnt sich dabei auf alte Werte und innovative Ideen. Ein Interview.

Herr Kränzle, tragen Sie heute eine Hiltl-Hose?
Gerhard Kränzle: Auf jeden Fall! (lacht). Heute habe ich tatsächlich einen Prototyp von Hiltl an: Es ist eine sehr modische Denim in blau und mit „tapered“-Form, die sich zu den Knöcheln hin verjüngt. Man trägt sie ein bisschen tiefer; wir wollen damit ausprobieren, wie bequem Hosen im Homeoffice sein können, müssen und dürfen. Was verträgt unsere Zielgruppe in Sachen Mode? Das ist die Herausforderung und dafür bin ich jetzt das Versuchskaninchen…
Und wie fühlen Sie sich als solches?
Gerhard Kränzle: Ich fühle mich wohl in der Hose. Interessant: Ich hatte die Hose auch schon einmal im Spanien-Urlaub an, wurde auf der Straße angesprochen und bekam als Feedback „Hey, cooler Look!“. Dann weiß ich: Wir können in der Entwicklung schon ein Stück weitergehen – und damit Händlern und Kunden die Gelegenheit geben, die Marke neu wahrzunehmen.

„Nicht die meisten, sondern die besten Hosenproduzieren“
Welche Zielgruppe spricht die Marke denn an?
Gerhard Kränzle: Wir haben uns vorgenommen, drei Generationen zu bedienen: den weltoffenen, etwas jüngeren Kunden; den Performer, der mitten im Leben steht und schließlich den Traditionalisten, der Hiltl seit Jahren kauft und sich auf die Qualität verlässt. Deshalb gehen wir mit einer hohen Verantwortung an das Produkt und dessen Verarbeitung. Im Ergebnis kann eine Hiltl-Hose zu einem besonderen Erlebnis werden, wenn ich reinsteige – und merke: es gibt einen speziellen Reißverschluss, einen perfekt angenähten Knopf, eine bis ins Detail ausgeklügelte Innenausstattung.

Hiltl will „zeitlose Hosenklassiker ins modische Hier und Jetzt“ holen. Wie funktioniert das konkret?
Gerhard Kränzle: Um Klassisches mit Neuem zu verbinden, kombinieren wir beispielsweise die hohe Wollqualität unseres Supima-Stoffs mit der modernen „Traveller“-Hosenform: mit Gummizug an der Seite, V-förmiger Silhouette und einem sportiven Dehn-Effekt. Das sorgt für ein völlig neues Tragegefühl bei unseren Kunden. Oder wir nehmen sehr hochwertigen italienischen Schurwoll-Flanell mit wenig Stretch-Fasern und machen daraus eine „Autofahrer-Hose“: Bei ihr dehnt sich der Bund bis zu drei Zentimeter, ohne dass man ihn verstellen muss.
Sind jetzt im Winter auch Thermohosen ein Thema?
Gerhard Kränzle: Mit unseren mehrfunktionalen Thermohosen versuchen wir, Übergänge zu schaffen – durch etwas urbaner gestaltete Hosen, die zwar besonders gut wärmen, sich aber trotzdem auch im Büro tragen lassen. Sie besitzen innen eine angerauhte Oberfläche und auf der anderen Seite eine Denim-, Jeans- oder Baumwollstruktur. Zusätzlich kann die Hose „gebondet“ sein – dabei sorgt eine wärmeregulierende Membrane, die noch zusätzlich aufgebracht wird, für noch mehr Wärmedämmung.

Hiltl gibt es seit 66 Jahren – was hat sich als „Erfolgsrezept“ bewährt?
Gerhard Kränzle: Es gibt ein Prinzip bei uns, das auch den Kunden widerspiegelt: Wir wollen nicht die meisten Hosen produzieren, sondern wir wollen die besten Hosen produzieren. Das ist der Leitsatz, mit dem Fritz Hiltl die Firma gegründet hat. Diesem Motto haben wir uns klar verschrieben und gehen das sehr konsequent an. Und trotz mancher Verwerfungen haben wir uns immer einen guten Ruf erhalten.
Die Pandemie sorgte weltweit für Turbulenzen, für Krise und Stillstand. Wie war das bei Hiltl?
Gerhard Kränzle: Für uns war die Situation Fluch und Segen zugleich: Wir sind 2020 in die Insolvenz geraten, die Pandemie hat diesen Prozess beschleunigt. Wenn ein mittelständisches Unternehmen sich zu viele Jahre nicht weiterentwickelt und „stehenbleibt“, dann verliert es den Anschluss an den Wettbewerb.
Wie kommt der Segen ins Spiel?
Gerhard Kränzle: Wir haben jetzt einen Topinvestor: einen, der die Marke mit Sorgfalt und Zeit entwickeln möchte, der Hiltl als Rohdiamant sieht und ins Schmuckkästchen legt. Wir sind nach wie vor bankenunabhängig finanziert – so können wir das Unternehmen wieder neu aufbauen, viel Zeit auf Veränderungsprozesse und Produkte verwenden. Gut ist, dass die meisten Kunden uns treu geblieben sind! Und als Hosenhersteller haben wir eine Marken-DNA wie kein zweites Unternehmen in Deutschland. Das macht uns für viele Händler interessant.
„Wenn du eine Hiltl-Hose trägst, bist du gut angezogen“
Seit der Umfirmierung heißt das Unternehmen Hiltl Hosenmanufaktur GmbH…
Gerhard Kränzle: Wir wollen genau das, was Hiltl groß gemacht hat – das Handwerkliche – wieder mehr entwickeln und das auch nach außen tragen. Denn das beweist unsere gute Qualität! Die Marke Hiltl soll dem Kunden Orientierung bieten und ihm Stilsicherheit signalisieren: „Wenn du eine Hiltl-Hose trägst, bist du gut angezogen“. Damit sind wir wieder viel näher an der Idee zur Firmengründung.

Welche Rolle spielt dabei das neu eingerichtete Atelier?
Gerhard Kränzle: Mit unserem Atelier in Sulzbach-Rosenberg setzen wir den Manufakturgedanken ganz konkret und handfest um. Hier nähen Schneiderinnen sehr hochwertige Hosen im reinen Handwerk; es sind Kleinserien mit 15 Teilen, absolute Unikate „made in Germany“. Zusätzlich bauen wir gerade an einem weiteren Standort eine deutsche Produktion auf – vor wenigen Wochen haben wir dort die ersten 800 Hosen in Auftrag gegeben, die nach dem gleichem Qualitätsstandard wie im Atelier gefertigt werden.
Wo werden außerdem Hiltl-Hosen produziert, und mit welchem Material?
Gerhard Kränzle: Wir erhalten nahezu alle „Zutaten“ für eine Hiltl-Hose aus Europa: Die Stoffe stammen meist aus Spanien, Portugal, Deutschland und Italien. Und Leinen aus Frankreich. Hinzu kommen ein, zwei besondere Denim-Stoffqualitäten, die wir aus Japan beziehen – denn unsere Kunden legen Wert auf Verantwortung und Sicherheit; sie fragen sich, ob sie diese Hose auch mit einem guten Gewissen kaufen können. Gefertigt werden die Hosen ebenfalls in Europa: In Rumänien haben wir zwei, in Mazedonien ein Werk.

Hiltl und Nortex – wie passt das zusammen?
Gerhard Kränzle: Sehr gut, glaube ich, weil wir sehr ähnliche Qualitätsvorstellungen haben.
Im Jahr 2000 stieg Hiltl in den US-Markt ein. Was erwarten Amerikaner von einer guten Hose, was Europäer?
Gerhard Kränzle: Die Amerikaner kaufen noch sehr klassisch: Sie brauchen ein bisschen mehr Fußweite, bevorzugen eine eher legere Passform. Der Europäer kauft da schlanker. Hinzu kommt: In den USA sind wir bei allen guten Herrenausstattern im Sortiment, die verkaufen Hemden für 400 Dollar und haben Hiltl als besondere Hose dabei. Was sehr geschätzt wird, ist, dass wir stets nachliefern können. Und wir können eine gute Story zu erzählen, wie unser Produkt entsteht – da sind die Amerikaner begeisterungsfähiger als die Deutschen.

Kurzinfo zum Unternehmen Hiltl
Das Unternehmen Fritz Hiltl Hosenfabrik GmbH & Co.KG wurde 1955 von Herrenschneidermeister Fritz Hiltl und Ehefrau Hedwig gegründet. Ziel war es, den Kunden Hosen wie vom Maßschneider anzubieten. Sechs Lehrlinge und Fritz Hiltls Bruder arbeiten daran, zunächst werden pro Tag 20 Hosen produziert. 1980 ist die Zahl der Mitarbeitenden auf 370 gestiegen, die täglich 2000 Hosen herstellen. Nach dem Tod von Fritz Hiltl 1994 leitet Hedwig die Firma. 2014 verstirbt auch sie. 2015 werden jährlich zirka 500.000 Hiltl-Hosen in 40 Länder weltweit verkauft. Ein Jahr darauf erwirbt die Nord Holding das Unternehmen. 2020 muss Hiltl Insolvenz anmelden; mit der Lorea AG findet sich ein neuer Eigentümer, die Firma heißt nun Hiltl Hosenmanufaktur GmbH.