Sehnsucht auf Rädern

Nortex war einer der ersten Auftraggeber für Möller’s Reisedienst
Neumünster. Es war die Zeit des Aufbruchs: In Deutschland begann in den 1950er Jahren das Wirtschaftswunder.
Aus Trümmern entwickelten sich eine immer größer werdende Produktion, der Handel nahm stetig zu. Auch das NORTEX-Werk in Bad Bramstedt war gut ausgelastet – denn die Nachfrage nach Bekleidung stieg.

Die Belegschaft, in der Mehrzahl Frauen, kam aus mehreren Regionen zum Arbeiten nach Bad Bramstedt. Doch eigene Fahrzeuge waren damals noch rar. Deshalb wurden die Arbeiterinnen morgens „eingesammelt” und nach Schichtende wieder nach Hause gefahren. Und zwar in Bussen samt Anhänger. Das Besondere: Einer dieser Busse ist bis heute im Einsatz – und konnte Anfang April vor dem Modehaus besichtigt werden.
 
Mit dem Bus zu NORTEX
Peter Möller vom Reisedienst in Neumünster stellt den Oldtimer, es ist ein Mercedes mit Baujahr 1953, zur Verfügung. Das Unternehmen bietet darin heute Tagesausflüge an. Doch zurück ins Jahr 1956: Möllers Vater Kurt-Peter fuhr immer werktags die jungen Frauen, die etwa als Näherinnen und Schneiderinnen in Bad Bramstedt arbeiteten, frühmorgens aus Kiel, Bordesholm, Neumünster und der Umgebung in das Werk in Bad Bramstedt.
Der Pendeldienst war einer der ersten Aufträge für den jungen
Unternehmer. „Es waren wohl 80 bis 90 Frauen, die mit meinem Vater fuhren“, schildert sein Sohn heute. „An den Bus war noch ein Anhänger angekoppelt, in dem ebenfalls Menschen transportiert werden durften.“
 

Foto: Nortex

Mit Panorama-Blick auf Reisen

Ein Oldtimer-Bus aus den 1950er Jahren bei NORTEX
Seine Schwester Silke Möller ergänzt: „Die Fahrer wurden damals bei Nortex mit Hemden und Anzügen ausgestattet, das war schon damals etwas Besonderes.“ Die Mutter Hildegard ist gelernte Schneiderin, über sie kam der Kontakt zwischen beiden Unternehmen zustande.
Heute gehört es für den Reisedienst fast schon zur Tradition, wenigstens einmal im Jahr zum Heinz-Erhard-Abend in den „Engelssaal“ in Hamburg zu fahren – dort führen Schauspieler die Sketche des Humoristen bis heute auf. Erhard hatte seine große Zeit in den 1950er und 1960er Jahren. Er nahm auch das Thema Italien-Reisen auf.
„Auf einmal war Süditalien der neue Sehnsuchtsort“, erinnern sich Peter und Silke Möller. Rudi Schuricke sang im Radio und auf Schallplatte seine Capri-Fischer, das südländische Flair mit exotischen Früchten, mit intakt gebliebenen Städten und sauberen Adria-Stränden lockte die deutsche Touristenschar. Das Wirtschaftswunder, der Aufschwung seit Anfang der Fünfziger Jahre sorgte dafür, dass die Urlaubskasse gut gefüllt war.
Doch noch immer lagen Trümmer und Schutt in vielen deutschen Städten. „Es war die Sehnsucht nach einer besseren Welt, die die Menschen reisen ließ“, so Möller, „in eine Welt, in der man sich wohlfühlen konnte.“
In den 1980er Jahren, erzählt Peter Möller, habe man die alten Busse mit Sachverstand und Liebe zum Detail instand gesetzt – technisch wie auch beim Stil des Interieurs. Der Mercedes-Bus hat 110 Pferdestärken unter der Haube, sie beschleunigen den Oldtimer mit Baujahr 1953 auf etwa 80 Kilometer pro Stunde.