E-Mobilitäts-Experte Jens Sandmeier im Interview: Aufbau der Ladeinfrastruktur kommt voran
Jens Sandmeier ist Experte für Elektromobilität am landeseigenen Unternehmen Wirtschaftsförderung und Technologietransfer in Schleswig-Holstein, kurz WTSH.
Herr Sandmeier, die Strompreise sind stark gestiegen – ist das E-Auto da noch attraktiv für Verbraucher?
Jens Sandmeier: Die Elektrofahrzeuge sind definitiv weiterhin interessant für den Verbraucher. Ganz besonders für diejenigen, die mit selbsterzeugtem Strom laden können: beispielsweise mit der eigenen Photovoltaik- Anlage oder steuerfrei beim Arbeitgeber. Die Kostenvorteile der E-Autos ergeben sich daneben auch durch Steuervergünstigungen und geringe Kosten für Wartung und Instandsetzung. So werden, auf die gesamte Haltedauer betrachtet, die Kosten niedriger sein als beim Verbrenner.
Trotzdem ist der Strom teurer geworden…
…und der Preis für einen Ladevorgang an einer Ladesäule gestiegen, das stimmt. Im Schnitt rechnet man mit 20 Kilowattstunden, die ein E-Auto pro 100 Kilometer verbraucht, das wären bei 40 Cent pro Kilowattstunde zirka acht Euro. Das ist, je nach Marktlage, ähnlich teuer wie beim Diesel. Dazu kommt der höhere Anschaffungspreis für ein E-Auto – aber die Kostenbilanz bei rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen ist dennoch oft besser als bei Verbrennern.
Wie steht es um Angebot und Nachfrage – gibt es inzwischen genügend E-Autos für alle Interessierten?

Nach wie vor muss man bei der Bestellung einiger E-Fahrzeuge noch längere Wartezeiten in Kauf nehmen, teils mehrere Monate. Trotzdem pendelt sich der Anteil von Batterieelektrischen- Autos bei den monatlichen Neuzulassungen im Norden zwischen 20 und 25 Prozent aller Fahrzeuge ein. Ende 2022 waren es sogar 62 Prozent: weil zum Jahreswechsel der Umweltbonus reduziert wurde, wollten viele noch schnell auf ein E-Auto umsteigen. In 2022 wurden in Schleswig- Holstein etwa 70.000 Autos neu zugelassen, davon waren knapp 17.000 rein batterieelektrische Fahrzeuge und 8.600 Plugin-Hybride. Deutschlandweit haben rein elektrisch betriebene Fahrzeuge die Million geknackt! Während die Zahl der Dieselfahrzeuge stark sinkt, gibt es immer mehr E-Autos. In Zukunft werden hier die Plugin-Hybride eher zurückgehen, rein batterieelektrische Fahrzeuge den Markt dominieren.

Wie steht es um den Ausbau der Ladepunkte in Schleswig- Holstein?
Der Aufbau der Ladeinfrastruktur ist in den letzten Jahren mit großen Schritten vorangekommen und kommt auch weiter gut voran. Wir haben mittlerweile mehr als 3600 öffentlich zugängliche Ladepunkte in Schleswig- Holstein. Die installierte Ladeleistung wird immer höher – das passt zum Trend, dass immer mehr Ladepunkte mit Schnell- und Superschnelllade- Möglichkeit entstehen. Mit Ladeleistungen von bis zu 300 Kilowatt kann man dort innerhalb kürzester Zeit „auftanken“.
Wie wird sich das künftig entwickeln?
Dadurch, dass immer mehr Fahrzeuge auf den Markt kommen, gibt es mittlerweile ein Geschäftsmodell für den Betrieb von Ladeinfrastruktur. Allein das führt dazu, dass überall neue Ladepunkte entstehen, beispielsweise im „Scandinavian Park“ bei Flensburg. Ich gehe davon aus, dass der Ausbau an vielen Orten mit hoher Geschwindigkeit weitergeht.
Preis, Reichweite, Ausstattung – worauf achten die Bürger beim E-Auto-Kauf?
Bei Neukunden, die vorher noch nicht mit einem E-Auto unterwegs waren, steht die Reichweite immer ganz oben auf der Agenda. Später, wenn eine gewisse Erfahrung im Umgang da ist, spielt das eine eher untergeordnete Rolle. Dahinter steckt: Wenn ich weiß, dass ich mein Auto zuhause oder beim Arbeitgeber vollladen kann – oder könnte – und bequem alle Fahrten in der Woche schaffe, bin ich deutlich entspannter unterwegs als jemand, der sich das (noch) nicht vorstellen kann. Wichtiges Kaufkriterium ist für viele eine zukunftsfähige Ladetechnik.

Was ist, wenn man mit dem E-Auto in Stau steckt?
Der Vorteil von einem E-Fahrzeug ist: es verbraucht nur Energie, wenn es fährt. Wenn man allerdings im Sommer die Klimaanlage oder im Winter die Heizung auf Maximum stellt, dann erhöht sich der Energieverbrauch. Das wiederum reduziert die Reichweite. Praxiserfahrungen und Studien haben aber gezeigt, dass man auch mit einem Elektrofahrzeug im Winter mehrere Stunden im Stau stehen kann, ohne zu frieren.
Im Urlaub, zum Beispiel in Dänemark, kommen schnell 300, 400 Kilometer zusammen. Klappt das mit dem E-Auto?
Ja – auch mit einem Elektrofahrzeug kann man in den Urlaub fahren! Wie weit man mit einer Batterieladung kommt, hängt dann aber natürlich vom Fahrzeug ab. Möglicherweise muss man zwischendurch einen Ladestopp in Kauf nehmen. Bei der Kaufentscheidung für oder gegen ein Elektrofahrzeug sollte man sich vorher Gedanken über den Einsatzzweck des Fahrzeuges machen. Die durchschnittliche Fahrtstrecke mit dem Auto, etwa bei Pendlern, beträgt in Deutschland unter 50 Kilometern am Tag – das schaffen die E-Autos heute problemlos. Anders sieht es vielleicht für Außendienstler aus, die täglich mehrere hundert Kilometer zurücklegen müssen.
Was raten Sie Kauf-Interessierten?
Wer ein E-Auto beschaffen möchte, sollte sich zuerst über sein individuelles Fahrprofil im Klaren sein. Was sind meine Bedarfe? Wie, wann und wo will ich fahren? Und kann das E-Fahrzeug das leisten? Damit sollte man sich ausführlich beschäftigen, denn mit einem Schnellschuss ist am Ende des Tages niemandem gedient. Es gibt mittlerweile eine stattliche Produktvielfalt und ein breiteres Fahrzeugangebot; es geht darum, sich die Fahrzeuge genau anzuschauen, eine Probefahrt zu machen, die Ladetechnik zu vergleichen.

Wer auf ein E-Auto umsteigt, will meist nachhaltiger mobil sein. Welche Rolle spielt der Akku dabei?
So ein Akku ist für etwa 1000 bis 3000 Ladezyklen ausgelegt. Das lässt sich allerdings nicht mit einem Ladevorgang gleichsetzen, da sind deutlich mehr möglich. Die Hersteller garantieren meist zwischen 70 und 80 Prozent der ursprünglichen Kapazität eines Akkus nach acht Jahren beziehungsweise 160.000 Kilometern. Fällt der Wert früher ab, wird der Speicher ausgetauscht. Danach ist er aber nicht zwangsläufi g kaputt, sondern kommt beispielsweise als stationärer Energiespeicher in Gebäuden zum Einsatz. Ab zirka 50 Prozent ist Recycling sinnvoll, um die Rohstoffe Lithium, Mangan, Kobalt und Graphit wiederzuverwerten. Hier gibt es vielversprechende Initiativen der Industrie.
Mehr Infos zum Thema Elektromobilität in Schleswig- Holstein finden sich auf der Internetseite des WTSH unter www.emobilitaet.sh – und im Rahmen eines Vortrags am Freitag, 1. September bei Nortex: Der WTSH-Experte Jens Sandmeier spricht am Freitag, 1. September, um 16 Uhr rund um das Thema E-Mobilität in Schleswig-Holstein. Der Vortrag findet im Café-Bistro statt und ist kostenlos. Interessierte können sich unter Telefon 04321-8700211 oder direkt an der Kunden-Info bei Nortex anmelden.