Eine Zeitreise zurück in die 1960er

Zwischen Tradition und Moderne: die Kostüme der „Blaumeisen“ im Wandel der Jahrzehnte

Neumünster. Sie waren jahrzehntelang das Aushängeschild für Schleswig-Holstein – die Blaumeisen vertraten traditionell im blauen Kostüm das Land zwischen Nord- und Ostsee, auf der „Grünen Woche“-Messe in Berlin etwa oder während der „Norla“-Landwirtschaftsschau in Rendsburg.

Im Jahr 2018 gab es erstmals eine Pause, doch jetzt sind die Schülerinnen an der Schule für Hauswirtschaft im ländlichen Raum in Hanerau-Hademarschen wieder da: Bei Nortex nahmen die Blaumeisen die Kunden mit auf eine einzigartige, nostalgische Zeitreise und präsentierten acht originale Kostüme, in denen ihre Vorgängerinnen ab 1964 bis in die Gegenwart Schleswig-Holstein repräsentierten.

Es war eine besondere Atmosphäre, die durch den Kontrast der auf Schaufensterpuppen drapierten Kostüme und den höchst lebendigen Blaumeisen drumherum entstand. Letztere sind  Wienke Kröger, Beate Kronmüller und Christin Asmussen, alle drei zwischen 21 und 22 Jahre alt. Also knapp vor der Jahrtausendwende geboren – da hatte das älteste Kostüm von 1964 bereits 36 Jahre überdauert. Wer weiß, welches Schicksal einer früheren Blaumeise mit gerade diesem Kostüm verknüpft ist? Dieses und die weiteren Modelle zeigten einzigartig, wie sich der Stil durch die Jahrzehnte an Modetrends anpasste. Ein Kostüm aus den 70er Jahren erinnerte an die uniforme Kleidung einer damaligen Jugendorganisation, eine weitere Blaumeisen-Kombination hob stark die maritime Herkunft zwischen Nord- und Ostsee hervor.

Bei den vielen Gesprächen, die sich im Modehaus ergaben, freute sich Klassenlehrerin Dorthe Reimers besonders, dass viele Kunden sich auf die ein oder andere Weise verbunden fühlten mit den Blaumeisen. „Heute kamen schon viele zu uns, die entweder selbst ehemalige Blaumeisen sind oder jemanden kennen, der es war. Manche hatten sogar Bilder von damals mit – das war sehr bewegend“, sagte die Pädagogin.

Ein Netzwerk ehemaliger Schülerinnen

Bis heute treffen sich Blaumeisen eines Jahrgangs – es gibt stets vieles zu erzählen und zu berichten. Das sei allein schon deshalb gegeben, so Reimers, weil die Absolventinnen der Schule später ihren Beruf in den unterschiedlichsten Branchen ausüben – etwa beim Managen eines Krankenhauses oder eines Hotels; aber auch in Seniorenpflegeheimen oder in Behörden sind die Hauswirtschafterinnen tätig. Durch den anhaltenden Kontakt untereinander bildet sich ein Netzwerk heraus, dass allen Beteiligten nützt.

Wer die Blaumeisen noch einmal treffen möchte, hat dazu spätestens auf der Landwirtschafts-Messe „Norla“ bei Rendsburg Gelegenheit: Anfang September betreiben die Blaumeisen dort ein eigenes Café names „Zwitscherstübchen“ – ein Projekt, bei dem sich Theorie und Praxis verbinden und alle Schülerinnen ihren Teil leisten. Eingerichtet wird das Café in einer Scheune mit 150 Quadratmetern Platz auf dem Gelände der Norla. Für die Blaumeisen geht es darum, vier Tage lang den Betrieb aufrecht zu erhalten und zu gewährleisten, dass sich alle Gäste gut aufgehoben fühlen.

Wienke Kröger war froh, im aktuellen Kostüm der Blaumeisen dabei zu sein. Obwohl sie einige der Vorgängermodelle „megahübsch“ finde, so die Blaumeisen-Schülerin. Ihr Favorit ist ein Kostüm, dass Blaumeisen in den 1960er Jahren trugen: eine Jacke in mittelblauem Stoff, dazu ein weißer Rock und kniehohe weiße Stiefel. „Das sieht ganz ähnlich aus wie bei einem Mädchenmusikzug, bei dem ich mitmache.“

Theorie und Praxis unter einen Hut bringen

Aber im Norla-Café? Da ziehe sie lieber das gewohnte Kostüm an, so Kröger. Denn es gibt genug anderes, um das sich die Blaumeisen dann kümmern müssen: „Wir überlegen zum Beispiel, was wir anbieten wollen, welche Dekoration es sein soll und was wir dazu mitbringen müssen. Wir planen alles und hoffen, dass das auch so klappt, wie wir es uns vorstellen!“ Sie sei schon etwas aufgeregt – „die Theorie ist das eine, aber in der Praxis macht es schon einen großen Unterschied aus.“

Genau darin, in der Verknüpfung von Theorie und Praxis, sieht Marcus Schalkalwies den größten Nutzen des Cafés. „Es ist ein ganzheitlich angelegtes Projekt, bei dem von der Konzepterstellung über die Auswahl der Speisen und Getränke, die Kalkulation und die Öffentlichkeitsarbeit bis hin zum Servieren alles dabei ist, was auch in der wirtschaftlichen Realität eines Betriebs später eine Rolle spielen wird“, so der gelernte Koch, der seit 15 Jahren an der Schule in Hanerau-Hademarschen als Fachlehrer unterrichtet. In jedem Bereich habe sich eine Schülerin als Spezialistin entwickelt und Verantwortung übernommen. „Wir müssen natürlich sehen, dass wir im Plus bleiben“, so Schalkalwies. Aus Lehrer-Perspektive sei das bereits jetzt der Fall: „Die Schülerinnen stehen komplett hinter dem Projekt – es ist für sie eine ganz andere Ebene der Motivation.“