Beim Empfang, auf der Party, im Job: Wie redet man locker, aber sinnvoll miteinander?
Gelegentlich geht es darum, mit Bekannten, Freunden und Kollegen, auch Fremden ein lockeres, unverbindliches Gespräch zu führen. Aber was macht einen guten „Small Talk“ aus? Und welche Themen sollten dabei lieber nicht berührt werden? Ein Interview mit Birte Steinkamp von der Deutschen Knigge-Gesellschaft.
Was macht einen guten Small Talk aus?
Birte Steinkamp: Zunächst einmal sollte man sich klar sein darüber, was ein Small Talk eigentlich ist: nämlich ein, wie der Name schon sagt, „kleines Gespräch“ – eine lockere Unterhaltung zum Zeitvertreib oder auch zum Warmwerden. Er dient dazu, Distanzen zu schmälern, Nähe zu schaffen und Sympathien zu wecken. Man kann mit ihm wunderbar Brücken bauen und sich selbst präsentieren. Beruflich besonders, aber eben auch privat. Durch einen guten Small Talk kann ich Vertrauen schaffen und dafür sorgen, dass sich andere Menschen in meiner Gegenwart wohlfühlen.
Wie kommt es, dass das manchen Menschen leicht fällt, andere sich aber schwer damit tun?
Es liegt in unserer Natur, wie kommunikativ wir sind: es gibt schüchterne, introvertierte Menschen, die sich sorgen, in ein Fettnäpfchen zu treten und deshalb lieber nichts sagen. Aber eben auch extrovertierte Menschen, denen es leicht fällt, andere Menschen zu unterhalten, schaffen es meist besonders gut, über leichte Themen zu sprechen. Die halten keinen Vortrag über eine Doktorarbeit oder starten eine politische Diskussion, sondern sprechen über unkomplizierte Themen und lassen eine Gesprächssituation einfach auf sich zukommen. Dabei sind sie meist sehr selbstbewusst und haben wenig Angst, etwas falsch zu machen. Aber: Small Talk ist eine Sache des Trainings, das kann ich üben und lernen, zum Beispiel in einem Rhethorik-Kurs.

Worüber lässt sich angeregt sprechen?
Ich sollte zunächst einmal mit einer großen Portion Offenheit und Interesse in so ein Gespräch einsteigen, damit ich mich auf viele Themen einlassen kann. Das können alle leichten und unverfänglichen Themen sein. Man kann sich erst einmal herantasten, um Gemeinsamkeiten herauszufinden – um dann ein eigenes Thema in den Ring zu werfen und die Reaktion abzuwarten.
Man kann über Hobbies sprechen, Reisen, Kulinarik oder Literatur. Oder, und das ist immer das einfachste: Man greift die Situation auf, in der man gerade gemeinsam steckt, beispielsweise auf einer Messe, nach einem Vortrag, in der Teeküche oder auf dem Spielplatz.
Dann sind offene Fragen wichtig, nicht geschlossene wie „Gefällt Ihnen der Vortrag?“ Die Antwort darauf lautet Ja oder Nein – und dann stehe ich wieder am Anfang. Sondern danach fragen, was der Person besonders gut gefallen hat am Vortrag – und schon ist man im Thema. Small Talk lässt sich vorstellen als eine Art Ping Pong, nur nicht so schnell. Man hält keine langen Monologe, es sollte ein für beide interessanter Dialog entstehen.
Andersherum gefragt: Wie vermeide ich belanglose, uninteressante Themen a là „Schön, dass die Sonne scheint“?
Eigentlich ist das Wetter ein gutes Thema für den Small Talk, denn dabei kann jeder mitreden. Mein „Small-Talk-Joker ist das Wörtchen ‚apropos‘: Damit kann man von jedem Thema zu einem beliebigen anderen Thema wechseln. Wenn man dann noch keine Gemeinsamkeiten entdeckt hat, kommt der zweite Joker zum Zuge: Dann kann man fragen: „… Was machen Sie denn stattdessen?“
Aber wenn ich merke, dass ein Thema meinen Gesprächspartner nicht interessiert, sollte ich versuchen, es zu wechseln und mich so herantasten. Es ist eine wichtige Eigenschaft beim Small Talk, zu erkennen, wenn jemand überhaupt kein Interesse daran hat. Man sollte einen Small Talk auf gar keinen Fall erzwingen. Wenn ich merke: der andere antwortet nur einsilbig, vielleicht nur mit einem Nicken, kann ich das Gespräch eben auch gut beenden an der Stelle.
Wie geht das möglichst elegant? Wie ziehe ich mich angemessen aus einem für mich unangenehmen Gespräch heraus?
Wichtig ist, immer höflich zu bleiben – also nicht einfach zu verschwinden oder zu sagen ‚Das interessiert mich überhaupt nicht‘. Ich empfehle immer, sich an das „Triple A“ zu halten: Ansagen, abschweifen, abhauen (schmunzelt). Das sind sozusagen drei Eskalationsstufen. Wenn man aus einem Gespräch heraus möchte, startet man verbal und sagt etwas wie: „Das ist höchst interessant, was Sie erzählen; bitte entschuldigen Sie mich, ich möchte noch einen weiteren Gast begrüßen, aber lassen Sie uns unsere Unterhaltung doch später vertiefen“. Gerade mit dem letzten Satz zeigt man, dass man sich nicht von der Person selbst abwenden will, sondern vielleicht nur der Moment für ein längeres Gespräch gerade nicht passt. Das ist diplomatisch.

Wenn jemand darauf nicht reagiert, kommt die nächste Stufe: Man versucht, mit Körpergesten desinteressiert zu wirken, lässt beispielsweise den Blick durch den Raum schweifen, dreht den Körper leicht weg oder tippelt mit den Füßen. Das sind alles Signale, um zu zeigen: „Ich möchte hier nicht mehr sein“.
Funktioniert auch das nicht, bleibt nur die dritte Stufe: physische Distanz, also körperlich aus der Situation herausgehen. Wichtig ist dabei aber, die Möglichkeit zu haben, direkt in eine andere Situation zu gehen. Ich muss dann einen anderen Gesprächspartner schon in petto haben oder mit meinem Teller zum Büffet gehen und mich dem Essen widmen.
Situativ: Spielen Mimik, Gestik und die Nähe zum Gesprächspartner eine Rolle?
Das spielt eine elementare Rolle. Es gibt den berühmten Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren“ des österreichischen Philosophen Paul Watzlawick. Ein Blick aufs Handy vermittelt den Eindruck „Mein Interesse ist gerade nicht bei dir“. Das ist ein richtiger Small Talk-Killer. Es liegt auf der Hand, dass wir uns viel wohler fühlen, wenn unser Gesprächspartner lächelt – das sollten wir also auch selbst nutzen. Bei der Körperhaltung gibt es eine Faustformel: Wenn Bauchnabel und Nasenspitze direkt zu meinem Gegenüber zeigen, dann bin ich körperlich schon einmal ganz bei ihm oder ihr. Häufig wird das dann gespiegelt: Die Person, die mit mir spricht, wendet sich mir auch mehr zu.
Achtung, Fettnäpfchen: Welche Themen sollte man lieber zunächst einmal ausklammern?
Ein No-Go ist zum Beispiel, über Negatives zu sprechen beziehungsweise über alles, was Streit oder Diskussionen hervorrufen kann. Dazu gehören bei uns in Mitteleuropa typischerweise Religion, Politik, Geld und Krankheiten, auch die Klimadiskussion oder die Genderdebatte: Man weiß nie sicher, wie der andere dazu steht. Dünnes Eis: Diese Themen können die Stimmung drücken, und dann es ist nicht leicht, dort schnell wieder herauszukommen. Im asiatischen Raum geht es eher wenig um mich selbst und meine Gefühle, dort konzentriert man sich sehr auf das Gegenüber.
Sind Witze angebracht?
Durchaus, Witze können eine Situation auflockern. Aber nicht auf Kosten anderer, und es sollten nicht zu schlüpfrige und zu viele Witze sein, gerade im Business-Kontext nicht. Auch kein Witz, der auf die Schwäche eines Anwesenden zielt, sondern einer, der keinen ausschließt und über den alle lachen können. Über sich selbst lachen zu können, ist sehr wichtig…
Gibt es einen Small Talk, der Ihnen selbst noch lange in Erinnerung bleiben wird?
Das war nach einer gemeinsamen Taxifahrt zum Bahnhof in Heidelberg. Ich hatte das Geld schon griffbereit, dann bezahlte meine Bekannte für uns beide. Am Bahnhof begegnete ich einem Obdachlosen mit Gitarre, wollte ihm das Geld geben. Er sagte: „Aber ich hab‘ doch noch gar nicht für dich gespielt!“ Danach unterhielten wir uns zehn Minuten darüber, was die Menschen, die ihm etwas geben, von ihm erwarten. Zwischen uns lagen Welten: Ich im Kostüm und auf Stöckelschuhen, er in alter Klamotte. Aber das Gespräch war so sympathisch und auf Augenhöhe – das hat mir einmal mehr gezeigt, dass Small Talk wirklich Brücken bauen kann zwischen gänzlich unterschiedlichen Menschen.

Kurz-Info: Wer war eigentlich dieser Knigge?
Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr Knigge wurde am 16. Oktober 1752 in Bredenbeck bei Hannover geboren. Nach der Erziehung durch Hofmeister studierte Knigge von 1769 bis 1772 Jura in Göttingen. Danach erhielt er eine Anstellung als Hofjunker und Assessor der Kriegs- und Domänenkasse in Kassel. 1777 wurde er weimarischer Kammerherr: Er übersetzte Schriften von Rousseau und verfasste neben mehreren Romanen, Essays und Satiren auch Schriften zu Geschichte, Politik und Gesellschaft sowie das bekannte Buch „Über den Umgang mit Menschen“ – es erschien 1788. Freiherr Knigge starb am 6. Mai 1796 in Bremen.
Kurzinfo Birte Steinkamp:
Birte Steinkamp ist Trainerin für Business-Etikette, systemische Business-Coachin und Vorstandsmitglied der Deutschen-Knigge-Gesellschaft. Ihr Wissen vermittelt die Expertin seit etlichen Jahren praxisnah in Seminaren und Vorträgen bei Unternehmen und Privatpersonen deutschlandweit.