Herausforderungen, Trends, Ziele: Wie steht es um den Tourismus im echten Norden?
Manuela Schütze von der Tourismus- Agentur Schleswig- Holstein blickt im Interview auf die aktuelle Situation der touristischen Angebote zwischen Nord- und Ostseeküste. Die Expertin erläutert die langfristige Strategie, um weitere Urlauber für den echten Norden zu begeistern – und sagt, an welchem Ort sie selbst gern entspannt.
Frau Schütze, wie geht es der Tourismus-Branche im echten Norden?
Manuela Schütze: Der Schleswig-Holstein-Tourismus hat sich nach zwei Jahren Pandemie als vergleichsweise krisenfest erwiesen. In 2021 wurden, trotz mehrmonatiger Schließzeiten, bereits wieder 32,4 Millionen Übernachtungen gezählt, das ist nicht mehr weit vom Vor-Coronajahr 2019 mit seinen 36 Millionen Übernachtungen entfernt. Im bundesweiten Vergleich steht der echte Norden nicht zuletzt aufgrund der Entscheidung, in 2021 Modellregionen auszuweisen, erfolgreicher da. Diesen Schwung gilt es mit in das Jahr 2022 zu nehmen.

Nach zwei Jahren Pandemie – wo liegen die größten Herausforderungen für die Tourismus-Branche?
Eine der größten Herausforderungen der Branche ist der Arbeits- und Fachkräftemangel. In den zwei Jahren der Pandemie hat er sich zu einem allgemeinen Mangel an Mitarbeitenden in der Tourismusbranche ausgeweitet, Kräfte sind in andere Branchen abgewandert. So verstärken sich nun die bereits vor der Coronakrise bestehenden Nachwuchs- und Arbeitskräftesorgen zum Beispiel in Beherbergungs- und Gastronomiebetrieben.
Welche touristischen Trends machen Sie aktuell aus?
Das Camping boomt, dass zeigen erneut die Zahlen aus dem Tourismusjahr 2021. Insgesamt wurden 5,3 Millionen Übernachtungen im Durchgangscamping gezählt. Der Vergleich zum Vor-Coronajahr 2019 ist deutlich. Im gesamten Jahr 2021 wurde ein Plus von 1,1 Millionen Übernachtungen auf den landesweit 268 Campingplätzen generiert. Hier zeigt sich besonders der Wunsch der Urlaubenden nach Unabhängigkeit, Abstand und Natur.
Auf welche Themen legen Sie besonderen Wert?
Die Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein, kurz TA.SH, kümmert sich um die überregionale Vermarktung des Landes als Tourismusdestination und Tagungsstandort mit dem Ziel, potenzielle Gäste aus dem In- und Ausland für den echten Norden zu begeistern. Unsere Strategie ist es, Schleswig-Holstein langfristig als Ganzjahresziel zu positionieren. Dazu wird konsequent die Nebensaison beworben, das ist der Zeitraum von November bis April. Im Rahmen der Landestourismusstrategie 2025 wurden die vier Zielgruppen Natururlauber, Entschleuniger, Neugierige und Städtereisende definiert. Diese Gruppen weisen ein hohes Reisepotenzial für die Nebensaison auf.
Wer kommt gern von außerhalb in den echten Norden?
Laut der Gästebefragung kommen Schleswig-Holsteins Urlauber zu großen Teilen aus Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen. Die drei wichtigsten Auslandquellmärkte sind Dänemark, Schweiz, Österreich.

Ganz spontan: Welchen Strand an welcher Küste empfehlen Sie?
Beide Küsten haben ihre unterschiedlichen Reize. Tidenhub und Wattwanderungen an der Nordsee und Steilküsten mit weißen Sandstränden an der Ostsee. Mein Tipp wäre eine Tour in die Mitte, in die oft unterschätzte Region zwischen den Küsten: Schleswig-Holstein verfügt über mehr als 300 natürliche Seen. Wie wäre es zum Beispiel mit dem Trendsport Stand-up-Paddling auf einem der Seen der Holsteinischen Schweiz? Oder mit einer Kanutour auf der Wakenitz bei Ratzeburg? Zwischen der Binnendüne in Süderlügum an der dänischen Grenze und dem Sachsenwald im Herzogtum Lauenburg im Süden gibt es viel Spannendes zu entdecken.
Welches Kultur-Highlight ist im Sommer ein „Muss“?
Die NordArt ist so ein besonderes Ereignis im Kulturkalender des Landes. Der Besuch lohnt sich nicht nur für bekennende Kulturenthusiasten. Die Schau in der Carlshütte in Büdelsdorf mit Werken von 200 Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt ist eine der größten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Europa – und das mitten in Schleswig- Holstein!

Was passt im Mai perfekt für Familien?
Die Bandbreite für Familienaktivitäten groß, sie reicht vom Wikingermuseum Haithabu bei Schleswig bis zum Besuch eines Hochseilgartens. In der Seehundstation Friedrichskoog sind Seehunde live zu erleben. Mit einer Wattwanderung lassen sich übrigens auch die „Small Five“ – gemeint sind Wattwurm, Herzmuschel, Strandkrabbe, Wattschnecke und Nordseegarnele – aufspüren. An der Ostsee gibt es zum Beispiel rund um Flensburg viele Spazier- und Wanderwegen für die ganze Familie.

Wo kann man „tierisch“ viel Spaß haben?
Es gibt viele Tierparke und Naturerlebniszentren in Schleswig-Holstein. Sie reichen von der Arche Warder mit seinen alten Nutztierrassen über den Tierpark Eekholt bis zu Meeresaquarien zum Beispiel auf Fehmarn oder in Timmendorfer Strand. Vom Multimar Wattforum in Tönning bis zum Ostsee-Info-Center in Eckernförde. Tierparke gibt es unter anderem in Neumünster und Gettorf. Es gibt den Wildpark Mölln, einen Schmetterlingsgarten im Sachsenwald und viele andere mehr.
Haben Sie eine Lieblingsstelle, wo Sie „abkoppeln“?
Ich persönlich bin gern immer einmal wieder an der Steilküste in Stohl bei Kiel unterwegs. Oben ein weiter Blick über die Ostsee, am Fuß ein wenig frequentierter, da meist recht steiniger Strand. Da pustet der Wind den Kopf frei.
Wohin steuert der Tourismus im echten Norden in Zukunft?
Die Prognose für das aktuelle Jahr 2022 ist noch recht optimistisch. Die Reiselust der Menschen ist groß, das Nachholbedürfnis nach Urlaub und Freizeiterlebnis, nach Abstand von Alltag ebenfalls. Die Buchungslage für den Sommer ist in den einzelnen Regionen unterschiedlich, aber in den besonders beliebten Ferienorten teils jetzt schon sehr gut. Schleswig-Holstein ist als Nahziel auch in diesem Jahr noch sehr attraktiv. Aber der echte Norden muss sich dem erstarkenden Wettbewerb stellen, der zunehmend wieder viele Reiselustige in europäische und auch wieder außereuropäische Destinationen ziehen wird.
Weitere Tipps für Ausflüge und Urlaub in Schleswig-Holstein finden sich im Internet auf www.sh-tourismus.de.