Bewusst besser kaufen? Macht Sinn!

Überblick im Dschungel der Textilsiegel: So war der Vortrag von Verbraucherschützer Tristan Jorde bei Nortex

Neumünster. Immer mehr Menschen in Schleswig-Holstein achten darauf, nachhaltig produzierte Textilien zu kaufen. Zertifikate tragen dazu bei, über die Bedingungen zu informieren, unter denen sie hergestellt wurden. Das Problem: es gibt Hunderte solcher Textilsiegel weltweit, sodass in der Vielfalt schnell der Überblick für die Kundinnen und Kunden verloren geht. Vorhang auf für Tristan Jorde von der Hamburger Verbraucherzentrale: Sein Herzensanliegen ist es, Klarheit in den Siegel-Dschungel zu bringen – im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Themen am Mittwoch“ kam er dazu ins Modehaus Nortex.

„Wir brauchen nicht in Jutesäcken herumzulaufen!“

Was kann man als Kunde tun, um bewusster einzukaufen? „Früher war es leichter, als man Schafe auf dem Deich gehalten hat“, sagte der Experte in einem Saal des Café-Bistros bei Nortex. Dort verfolgten etwa 25 Menschen seinen interessanten, kurzweiligen Vortrag. Aus der gesponnenen Wolle habe man selbst einen Pulli gestrickt. Jorde: „Heute kommt die Bekleidung meist über globale Lieferketten zu uns, hochkomplex und vernetzt. Kaum noch jemand weiß, was dabei wann passiert.“

Die Qualität und Aussagekraft von Textilsiegeln unterscheiden sich stark – deshalb plädiert Verbraucherschützer Tristan Jorde für mehr Transparenz in diesem Bereich. Foto: Nortex

Pro Jahr in Deutschland: Eine Milliarde Kleidungsstücke im Müll – kaum oder nie getragen

Zugleich sei Mode etwas sehr Wichtiges, durch das Menschen sich mitteilten und miteinander kommunizierten, macht der Verbraucherschützer deutlich. „Wir brauchen nicht in Jutesäcken herumzulaufen!“ Doch es gebe einerseits hochwertige, reparaturfähige, langlebige Kleidung – und andererseits „Fast Fashion“: Mode, die ähnlich schnell konsumiert und verbraucht werde wie Fast Food. Letztere sei nicht nur über kurz verschlissen oder bereits nach der ersten Wäsche verformt, sondern auch modisch schnell inaktuell: Jorde zufolge bringen manche Hersteller etwa alle 14 Tage neue Produkte heraus, die die kaum getragenen Vorgänger buchstäblich „alt“ aussehen lassen.

„So hat man kaum die Chance, die Kleidung auch vernünftig zu tragen“, macht der Experte deutlich. Die problematische Entwicklung würde durch den Online-Handel noch befördert, der es leicht mache, zehn Teile zu bestellen, aber nur eins zu kaufen. Nicht selten werde der zurückgesendete Rest dann schlicht „entsorgt“. Er führt T-Shirts als Beispiel an, die nur einmal getragen und anschließend entsorgt werden, teils sogar unbenutzt. Etwa eine Milliarde Kleidungsstücke landeten pro Jahr allein in Deutschland ungetragen im Kleiderschrank oder direkt im Müll. Auf diese Weise würden enorme Ressourcen verschwendet – und für den Experten ist klar: „Das ist extrem schädlich für die Umwelt.“

Grünes Label am Etikett: Die Zertifikate, hier von Nortex-Verkaufsleiter Andy Grabowski präsentiert, sollen über Nachhaltigkeit bei der Herstellung informieren – doch weil es Weltweit Hunderte Textilsiegel gibt, fehlt oft der Überblick. Foto: Nortex

Wie vertrauenswürdig ist das Siegel?

Wer das als Kunde nicht befördern will, schaut nach Textilsiegeln, die im Idealfall eine nachhaltige und sozial faire Produktion gewährleisten. Hier den Überblick zu behalten, welches Siegel als hochwertig einzuschätzen ist, sei schwer, so Jorde. Er nennt an erster Stelle das „IVN“-Siegel, danach folgt „GOTS“ – beide seien wertige Zertifikate, allerdings recht selten im Handel zu finden. Bei „Fair Wear“ würden vor allem soziale Aspekte der Produktion berücksichtigt.

„Der grüne Knopf“ sei ebenfalls vergleichsweise vertrauenswürdig, urteilt der Experte: „Mit der Einschränkung, dass es nicht alle Produktionsschritte abdeckt.“ Während die Bedingungen beim Nähen und Färben der Textilien kontrolliert würden, sei das beim Anbau der Fasern, beim Weben und Spinnen nicht der Fall. Und das Zertifikat „Oekotex Made in Green“ sei „eigentlich ein gutes Siegel“ – nur sei es optisch dem älteren, wesentlich weniger strengen Oekotex-Zeichen viel zu ähnlich – es bestehe mithin die Gefahr, dass Verbraucher beide verwechseln könnten.

„Lieber seltener kaufen, dafür aber hochwertig“

Wichtig sei vor allem, seinen gesunden Menschenverstand zu nutzen, so Jorde. „Wenn das Kleidungsstück hochwertig verarbeitet ist und man es lange trägt, kann das ökologisch sinnvoll sein, auch wenn es kein Siegel trägt.“ Frei nach dem Slogan der britischen Modedesignerin Vivienne Westwood „Buy less. Choose well. Make it last“, zu deutsch „Kaufe weniger. Wähle gut aus. Sorge dafür, dass es von Dauer ist“ rät der Experte daher: „Das Wichtigste ist, lieber seltener und dafür hochwertig zu kaufen. Und lieber etwas kaufen, das sich gut mit anderem kombinieren lässt, sodass es auch nach der zweiten oder dritten Modewelle noch angezogen werden kann.“

Die Besucher des Vortrags lobten hinterher die vielen Details und die kurzweilige, menschliche Art, mit der Tristan Jorde das Thema näherbrachte. „Es war kurz, aber interessant. Ich fand das Thema hochspannend“, sagte Günther Timm, der mit seiner Frau Karin aus Bornhöved zu Nortex gekommen war. „Faktenreich! Und mutig, das als Modehaus zu veranstalten“, war der Kommentar von Renate Richter und Günter Vogel, die sich im „Arbeitskreis kritischer Konsum“ von Attac Neumünster engagieren.

Am Mittwoch, 19. April, hält Familienforscher Dr. Klaus Kohrt vom Verein SHFam einen Vortrag zum Thema Genealogie – und zeigt auf, wie auch Anfänger in dieses spannende Thema einsteigen können. Der Vortrag beginnt um 17 Uhr und ist kostenfrei, um Anmeldung wird gebeten.