Besser sehen im Dunkeln

Neumünsteraner Hobby-Astronomen kämpfen gegen nächtliche Lichtverschmutzung

Neumünster. Wenn es abends dunkel wird, kehrt Ruhe ein im echten Norden. Dann legen sich die meisten Schleswig-Holsteiner zur wohlverdienten Nachtruhe ins Bett. Doch genau jetzt wird eine kleine, aber begeisterte Schar von Hobby-Astronomen an vielen Orten im Land aktiv, um mit kleinen und großen Fernrohren in den nächtlichen Sternenhimmel zu schauen: Es sind Menschen, die die Faszination am Universum und seinen vielen ungelösten Rätseln miteinander verbindet.

Den besten Blick in die unendlichen Weiten des Weltalls bietet derzeit das Fernrohr der vhs-Sternwarte Neumünster. Das große, rund eine Tonne schwere und mehrere Meter lange Fernrohr steht auf dem Dach der DRK-Fachklinik Hahn-knüll, unweit des Tierparks. Es wurde 1974 gebaut und ist eine Gabe der befreundeten Sternwarte Lübeck. Bis heute hat es mit 48 Zentimetern einen der größten Spiegeldurchmesser zwischen Nord- und Ostsee – und zieht so Hobby-Astronomen aus ganz Schleswig-Holstein magisch an: Man trifft sich und erkundet gemeinsam den Kosmos.

Hier unter der Kuppel, die an sternklaren Nächten geöffnet wird, sind mehr als 30 Mitglieder des Volkshochschul-Kurses „Sternkieker – Astronomie AG“ aktiv. Tendenz steigend, sagt Sternwarten-Leiter Marco Ludwig, der im normalen Leben Berufsschullehrer ist: „Das Interesse an der Astronomie ist in den letzten Jahren sehr gestiegen. Die Nachfrage ist so groß, dass wir nicht immer genügend Helfer haben, um sie zu bedienen!“

Fasziniert vom Kosmos

Wenn die „Sternkieker“ zu besonderen Himmelsereignissen wie etwa Mond- und Sonnenfinsternissen die Sternwarte für jedermann öffnen, sei der Andrang gewaltig. „Manche entdecken dann die Astronomie als spannendes Hobby für sich“, sagt Ludwig. Auch  TV-Erfolge wie „Leschs Kosmos“ und die US-Comedy „Big Bang-Theorie“ sorgen für mehr Interesse.

Die größere Aufmerksamkeit könnte helfen, eine aktuelle Herausforderung zu bewältigen, mit der Astronomen hierzulande zu kämpfen haben: zu viel nächtliches Streulicht, das die Himmelsbeobachtung erschwert. Das gilt auch an der Schwale: „Die Sternwarte Neumünster ist eines der größten Opfer von Lichtverschmutzung in ganz Norddeutschland“, so Ludwig.

Einst konnte hier unter extrem dunklen Himmel gearbeitet werden, dabei seien astronomische Fotos entstanden, die zu den besten in ganz Deutschland zählten, schildert der Hobby-Astronom: „Das ist heute nicht mehr möglich – weil die Stadt um ein Vielfaches heller geworden ist. Und in vielen Fällen ist diese enorme Beleuchtung überhaupt nicht notwendig!“

Zuviel nächtliches Licht ist schädlich

Wissenschaftlern zufolge sei das nächtliche Zuviel an Beleuchtung  schädlich für die Tier und Pflanzenwelt und die Menschen. „Da muss man zurückrudern“, fordert Ludwig daher und verweist auf eine online-Petition gegen Lichtverschmutzung, die die „Sternkieker“ unterstützen: „Das neue Motto sollte sein: Soviel Licht wie nötig und so wenig wie möglich“.

Nicht nur die zunehmende Lichtverschmutzung stellt die Hobby-Astronomen vor Probleme. Mitunter sind es auch ganz gewöhnliche Hürden, die es zu meistern gilt. Marco Ludwig, der Leiter der vhs-Sternwarte in Neumünster, schildert: „Als Astronom in Schleswig-Holstein muss man „frustresistent“ sein: Wenn für die Nacht klarer Himmel voraus gesagt wurde, fährt man zur Sternwarte, bereitet alles vor.  Und dann, wenn ich auf den Auslöser drücke, sind wieder Wolken da. Das passiert oft, man muss lernen, damit umzugehen.“

Mondsichel mit Venus. Foto: Marco Ludwig/Sternwarte Neumünster

Gegenseitige Unterstützung im vhs-Kurs und dem 2009 gegründeten Förderverein sind da hilfreich; darüber hinaus netzwerken die Mitglieder von Sternwarten und Planetarien etwa in Lübeck, Kiel, Tornesch und Glücksburg untereinander. „Auf etwa 1.000 Menschen in Schleswig-Holstein gibt es einen, der sich Amateur-Astronom nennen kann“, sagt Ludwig.

Nicht alle gehören Vereinen an, doch bei Veranstaltungen wie dem Norddeutschen Astrofoto-Treffen tauscht man sich aus. Manchmal steigt das Interesse sprunghaft an: „Vor zwei Jahren hatten wir diesen Super-Blutmond, eine Jahrhundert-Mondfinsternis, da kamen rund 500 Besucher zu uns“, erinnert sich Ludwig.

Ein Kleinplanet namens Neumünster

Er hat auch dafür gesorgt, dass ein Himmelskörper nach der Schwalestadt benannt wurde: Gemeinsam mit einem Astronomen reichte er dazu einen Antrag bei der Internationalen astronomischen Union (IAU) ein.  „Das ist die einzige Institution, die Himmelskörper im All benennen darf. Es gebe dubiose Internetseiten, die Sterne verkauften, das sei aber nichts weiter als Betrug“, so der Experte. Schließlich bewilligte die IAU den Namen: Nun trägt der Kleinplanet mit einem Durchmesser von einem Kilometer, der auf einer Umlaufbahn zwischen Mars und Jupiter durchs All saust, die Bezeichnung „342000 Neumünster“ – zu Ehren der Stadt, die seit fast 50 Jahren eine Sternwarte betreibt. Übrigens sollen auch Helgoland, Flensburg und Schleswig im All vertreten sein.

Und was hat das Jahr 2020 in astronomischer Hinsicht zu bieten? Noch bis in den April hinein ist laut Ludwig die Venus abends im Westen zu sehen. „Die Venus ist nach Sonne und Mond das hellste natürliche Objekt am Sternhimmel. Das fällt vielen Menschen auf, manche rufen bei uns an und fragen nach“, sagt er. Jährlich im August sollen zudem Sternschnuppen des Perseiden-Meteorstroms auf die Erde niederregnen: Für Fotografen besteht dann eine Chance, einen Meteor sogar im Foto festzuhalten.

Seit seinem 13. Lebensjahr ist Marco Ludwig von der Astronomie fasziniert. „Es ist die letzte verbliebene Universalwissenschaft, in der alle Erkenntnisse der Menschheit eine Rolle spielen – von der Kern- und Quantenphysik bis hin zur Religion“, sagt er. Und jedes Jahr kämen neue Fragen hinzu. Was wäre, wenn die Menschheit herausfände, dass sie nicht allein ist im All? „Es wäre schon sehr unwahrscheinlich, wenn es nur einen Planeten gäbe, auf dem Leben entstehen konnte“, fasst Ludwig die Meinung einer Vielzahl von Forschern zusammen. Und fügt hinzu: „Das macht es für mich so spannend: hier gibt es noch viel zu entdecken!“

Wegen der aktuellen Situation rund um das Corona-Virus wird die vhs-Sternwarte ihre Aktivitäten bis auf weiteres komplett einstellen, ist auf deren Internetseite zu erfahren: Um die Patienten und Bewohner der DRK-Fachklinik Hahnknüll durch Besucher nicht zu gefährden, wird es vorerst keine Besuchsveranstaltungen, Vorträge oder vhs-Kurse in den Räumen der vhs-Sternwarte geben. Der für den 28. März geplante Astronomie-Tag wird demnach in den Herbst verschoben und voraussichtlich am 24. Oktober 2020 nachgeholt.

Geplante Veranstaltungen verschieben sich nach Absprache mit der Sternwartenleitung. Bei Rückfragen setzten Sie sich bitte mit Sternwartenleiter Marco Ludwig, Tel.: 0162 2137065 oder per E-Mail: Leitung@sternwarte-nms.de in Verbindung.